Start Politik und Recht Bewegung als Lernunterstützung – Interview mit Didaktikerin Michaela Sambanis (FU Berlin) zu Embodied Learning

Bewegung als Lernunterstützung – Interview mit Didaktikerin Michaela Sambanis (FU Berlin) zu Embodied Learning

0

(Mynewsdesk) Der Fachunterricht findet im Sitzen statt. Dieser Grundsatz hält sich hartnäckig in deutschen Schulen. Gleichzeitig bewegen sich laut aktueller Studie des Karlsruher Instituts für Technologie, der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und des Robert-Koch-Instituts 80 Prozent der Kinder zu wenig. Im Interview schildert Professorin Dr. Michaela Sambanis, Autorin des Buches „In Motion – Theaterimpulse für das Sprachenlernen“, welche Möglichkeiten Embodied Learning für das Lernen und insbesondere das Sprachenlernen eröffnet, warum Bewegung im Sportunterricht allein nicht ausreicht und wie Lehrerinnen und Lehrer konkrete Impulse in ihren Unterricht einbauen können.

Was ist Embodied Learning?

„Unter Embodied Learning werden Ansätze zusammengefasst, die die enge Interaktion zwischen Körper und Geist berücksichtigen und fürs Lernen nutzen. Bewegung im Fachunterricht bedarf in der Regel keiner Materialien, lässt sich oft spontan durchführen, kann den Lernertrag nach-weislich verbessern und hat sogar noch positive Nebenwirkungen, zum Beispiel die Erhöhung der Bewegungszeiten. Der Einsatz von Bewegungen im Fachunterricht bietet großes Potenzial, das noch nicht in dem Maß ausgeschöpft wird, wie es möglich wäre. Bewegung sollte als Lernunterstützer mehr Raum bekommen, um der engen Verbindung von Körper und Geist in fachlichen Lernprozessen Rechnung tragen zu können. Zusätzlich geht es darum, das lange, nicht gesundheitsförderliche Sitzen in der Schule immer wieder zu durchbrechen und damit einen Beitrag zur Gesundheit der Lernenden zu leisten. Dies ist in der digitalisierten Welt von heute eine noch größere Verantwortung als in früheren Zeiten.“

Welche Rolle spielt Bewegung bei der Konzentration?

„Nicht nur in der Schule, auch im Alltag, müssen wir unsere Aufmerksamkeit gezielt ausrichten, um neue Inhalte erschließen zu können. „Konzentrier dich mal!“ – diese Aufforderung ist für Lernende, ob jung oder alt, manchmal gar nicht so leicht umzusetzen. Eine Faustregel besagt, dass sich Kinder für eine Dauer konzentrieren können, die etwa ihrem Lebensalter mal zwei in Minuten entspricht, dann ist die Schwelle der Erschöpfung erreicht. Lehrkräfte wissen, dass es dann wenig Sinn macht, den Stoff weiter „durchzuziehen“, zugleich aber möchte man keine Unterrichtszeit verlieren. Genau aus diesen Gründen sollte man, wenn die Klasse müde oder zappelig wird, ein paar Minuten in eine spontan eingeschobene Bewegungsphase investieren. Danach sind die Chancen für „Konzentrier dich mal!“ deutlich besser.“

Was ist der Mehrwert von bewegten Lerneinheiten?

„Studien zeigen, dass Lerninhalte, zu denen eine Bewegung zugeordnet wird und bei denen Inhalte und Bewegung mehrfach zusammen wiederholt wurden, meist dauerhafter im Gedächtnis verankert bleiben. Das liegt daran, dass durch die Bewegung im Gehirn eine zusätzliche motorische Spur zu dem Inhalt angelegt wird, die maßgeblich dazu beiträgt, dass der Lerninhalt solide verankert wird und gut abrufbar bleibt. Neben einer möglichen Steigerung des Lernertrags liegt ein deutlicher Mehrwert von bewegten Lerneinheiten auch in der Aktivierung der Ler-nenden, im Durchbrechen von Eintönigkeit oder Langeweile sowie in dem Gruppen(zugehörigkeits)erlebnis: Bewegungsangebote führen oft zu gemeinsamem Lachen. Das entspannt, verbindet und trägt zu einem guten Klassenklima bei.“

Warum findet im Unterricht so wenig Bewegung statt?

„Vielerorts hält sich noch die Vorstellung, dass für Bewegung der Sportunterricht zuständig sei, man im Fachunterricht hingegen die Kognition adressiere. Es gibt aber auch ganz pragmatische Gründe, warum manche Lehrkräfte Schwierigkeiten haben, Bewegung in ihren Fachunterricht zu bringen: Manchmal sind es enge Klassenräume, manchmal ist es die Sorge, gerade von Jugendlichen nicht ernst genommen zu werden, wenn man vorschlägt, mit Bewegungen zu arbeiten. Für die Platzproblematik lassen sich in der Regel vor Ort erste Lösungen finden. Eine Notlösung bilden auch Bewegungsangebote, die im Sitzen durchgeführt werden – nicht optimal, aber ein Kompromiss.“

Inwiefern fördern bewegte Impulse insbesondere das Sprachenlernen?

„Bewegungen lassen sich letztlich in jedem Unterrichtsfach als „Learning Tool“ nutzen, beim Sprachenlernen liegt der Gedanke aber ganz besonders nahe, weil Sprachen und Bewegung untrennbar verwoben sind und zusammenwirken. In Kommunikationssituationen sind es keineswegs nur die Wörter, die Botschaften transportieren, sondern ebenso sogenannte über- und außersprachliche Mittel wie klangliche Merkmale, körperliche Nähe oder Distanz und natürlich die mimischen und gestischen Botschaften. Beim Lernen einer Fremdsprache versucht unser Gehirn, noch nicht vertraute Lautfolgen von Wörtern einzuspeichern. Das Simulieren von typischen Situationen durch Mimik, Gestik und stimmliche Mittel, in denen etwa eine neue Vokabel gebraucht werden kann, sorgt dafür, dass das neue Wort zum Leben erweckt wird. Außerdem hilft es dabei, sich an bereits vertraute Situationen zu erinnern, das Neue zu kontextualisieren und damit einen Ansatzpunkt für das Einspeichern zu schaffen.“

Wie kann Embodied Learning im Unterricht konkret eingesetzt werden?

„Bewegung kann, als kurze Erfrischungsphase eingesetzt, hilfreich und sinnvoll sein. Wir merken uns oft Dinge zusammen mit Informationen zu den Orten, an denen wir sie gelernt haben. Beispielsweise hat sich das Einführen neuer Vokabeln an unterschiedlichen Stellen im Klassenzimmer als vielversprechend erwiesen. Hier können sprachliche Anweisungen mit Bewegungen verbunden werden, zum Beispiel im Raum umhergehen als husche man über heißen Sand. Eine kleine Sequenz von Pilates-Übungen oder das Herumgeben eines Impulses im Kreis sind weitere Beispiele. Im Unterricht lassen sich auch durch diverse Arbeits- und Sozialformen Alternativen zum Lernen im Sitzen finden, etwa an verschiedenen Stationen oder in wechselnder Personenkonstellation, für die man den eigenen Platz verlassen muss.“

Zur Person: Professorin Dr. Michaela Sambanis ist Lehrstuhlinhaberin für die Didaktik des Eng-lischen an der Freien Universität Berlin. Zuvor war sie Projektleiterin am TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) an der Universität Ulm. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Verknüpfen von Wissensbeständen aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Neurowissenschaft, Didaktik, Psychologie und den Erziehungswissenschaften.

Buchtipp:

In Motion – Theaterimpulse zum Sprachenlernen
Michaela Sambanis und Maik Walter
Taschenbuch, 80 Seiten, Cornelsen Verlag 2019
ISBN 978-3-589-16550-6; EUR 14,99

Im Buch blättern unter:  cornelsen.de

Diese Pressemitteilung wurde via Mynewsdesk versendet. Weitere Informationen finden Sie im Cornelsen Verlag

Der Cornelsen Verlag zählt zu den führenden Anbietern für Bildungsmedien im deutschsprachigen Raum. Das Verlagsprogramm umfasst über 23.000 Titel für alle Fächer, Schulformen und Bundesländer von der frühkindlichen Bildung über Lehr- und Lernsysteme für die weiterführenden Schulen und die beruflichen Schulen bis hin zu Bildungsmedien für die Erwachsenenbildung und pädagogische Fachliteratur. Am Verlagssitz in Berlin und sieben weiteren Standorten arbeiten über 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit mehr als 70 Jahren gestaltet Cornelsen die Bildungslandschaft maßgeblich mit. Dabei verbindet der Anbieter für Lehr- und Lernmaterial didaktische Kompetenz, den engen Austausch mit seinen Kunden sowie Servicedenken mit Innovationsfreude und Partnerschaftlichkeit. Von guten Noten bis zum Abschluss, von Sprachkenntnissen für den Urlaub bis zum Fachwissen für den Beruf: Mit maßgeschneiderten Cornelsen-Produkten begleitet der Verlag für Bildungsmedien Lernende entlang ihrer Bildungsbiografie und unterstützt sie dabei, ihre persönlichen Lernziele zu erreichen. Zur Verlagsgruppe gehören neben dem Cornelsen Verlag auch renommierte Marken wie Duden, Verlag an der Ruhr, Veritas als größtem österreichischem Bildungsverlag und Online-Plattformen wie scook und Duden Learnattack. Als innovatives Unternehmen schafft Cornelsen begeisternde Bildungslösungen, die individuellen Lernerfolg ermöglichen.  www.cornelsen.de: https://www.cornelsen.de/?campaign=banner/PR/2018

Firmenkontakt
Cornelsen Verlag
Irina Groh
Mecklenburgische Str. 53
14197 Berlin
(030) 897 85 563
irina.groh@cornelsen.de
http://www.themenportal.de/bildungspolitik/bewegung-als-lernunterstuetzung-interview-mit-didaktikerin-michaela-sambanis-fu-berlin-zu-embodied-learning

Pressekontakt
Cornelsen Verlag
Irina Groh
Mecklenburgische Str. 53
14197 Berlin
(030) 897 85 563
irina.groh@cornelsen.de
http://shortpr.com/7brf08

Die Bildrechte liegen bei dem Verfasser der Mitteilung.