Trockenheit, Nachtfrost und Schäden durch Mäuseplagen fordern die Landwirte heraus. Die AGRAVIS-Experten Imke Hansing und Dr. Sabine Rahn bewerten den ersten Grasschnitt. Ob dieser in Qualität und Menge überzeugen kann, berichten zudem Experten aus unterschiedlichen Regionen des Arbeitsgebietes der AGRAVIS Raiffeisen AG.
„Die Situation im Grünland zum ersten Schnitt könnte nicht heterogener sein“, weiß Imke Hansing, AGRAVIS-Expertin von der Pflanzenbau-Vertriebsberatung. Sie berichtet zur aktuellen Situation im Grünland: „Teilweise wurde bereits vor der Schnittreife (Beginn Ähren-/Rispenschieben der Hauptbestandsbildner) geschnitten, da die Betriebe dringend Futter benötigen. Einige Betriebe splitten den ersten Grasschnitt, da sich auch die einzelnen Flächen im Betrieb stark differenziert entwickelt haben (abhängig von der Ausgangssituation im Frühjahr – Mäuse; Tipula; Trockenheit). Die Erträge sind in der Regel enttäuschend, da Feuchtigkeit für die Nährstofffreisetzung (Mineralisierung) und Wachstum allgemein fehlte – auch die Kälte hat das Gräserwachstum gehemmt.“
Ernteverluste durch brachliegende Flächen
„Vielen Betrieben fehlt nicht nur grundsätzlich Trockenmasse-Ertrag vom Hektar, sondern ganze Flächen, weil diese sich nach Schäden im Frühjahr auch nach intensiver Pflege nicht erholt haben. Die Flächen, die im Frühjahr katastrophal aussahen, sehen auch jetzt in der Regel nicht gut aus. Ein reiner Grünland-Betrieb berichtet zum Beispiel, dass 80 von 106 ha trotz Neuansaat im Frühjahr nach Mäuse- und Tipula-Befall immer noch brach liegen, das bedeutet einen kompletten Ernte-Verlust.“
Gefahr: Qualitätsverlust bei Silage
„Die Qualität in Bezug auf die Inhaltsstoffe kann aktuell nur geschätzt werden. Da die Betriebe derzeit eher sehr früh Mähen, sind relativ hohe Energie- und Proteingehalte zu erwarten, jedoch geringe Zuckergehalte. Es besteht die Gefahr, dass die Silagen im Gärverlauf nicht stabil silieren, da kalte Temperaturen und der frühe Schnitt einen geringen Milchsäurebakterienbesatz erwarten lassen sowie geringe Zuckergehalte (Nahrung für die Bakterien). Hinzu kommen die massiven Narbenschäden und der trockene Oberboden, sodass vermutlich viel Erde (Rohasche) und somit auch schlechte Bakterien/Pilze in die Silage eingefahren werden.“
Keine neue Einsaat auf einigen Flächen
„Einige Betriebe werden nicht wie ursprünglich geplant die Ackergras-Flächen umbrechen, um nach der ersten Nutzung Mais einsäen zu können, da sie zum einen wenig Gras vom Dauergrünland erwarten und zum anderen befürchten, dass bei der Trockenheit eine neue Einsaat hohes Risiko birgt.“
Niedersachsen: geringere Erträge mit guter Qualität
In den Arbeitsgebieten der AGRAVIS Niedersachsen-Süd GmbH und der AGRAVIS Kornhaus Ostwestfalen GmbH verlief der erste Grasschnitt der Saison 2020 für die Landwirte bisher ohne Zwischenfälle. Bereits zwei Drittel des Futters sind ohne Regenunterbrechung eingefahren. „Die Erträge fallen im Vergleich zu den Vorjahren zwar etwas geringer aus. Jedoch kann die Qualität der Aufwüchse insgesamt, vor allem im Hinblick auf die Energie- und Proteingehalte, aller Voraussicht nach als gut bezeichnet werden“, zeigt sich Rainer Widdel, Geschäftsführer der AGRAVIS Niedersachsen-Süd GmbH und der AGRAVIS Kornhaus Ostwestfalen GmbH, mit den bisherigen Ergebnissen des ersten Futterschnitts zufrieden.
AGRAVIS Ems-Jade: regional gibt es Unterschiede
Stefan Pielsticker, Geschäftsführer der AGRAVIS Ems-Jade liefert erste Einschätzungen für sein Arbeitsgebiet:
Insgesamt ist das Grünland in Ostfriesland seit nunmehr fast einem Jahr stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Frühjahrstrockenheit, Mäuse und ein nasser Winter im vergangenen Jahr haben die Futterbaubetriebe im Frühjahr 2020 vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Nachdem die Flächen wieder befahrbar waren, lag der Fokus auf der Sicherung des Grundfutters. Mancherorts wurden Ackergräser angesät in der Hoffnung auf höhere und schnellere Erträge im ersten Schnitt. Die Neuansaaten kamen jedoch durch die Trockenheit im März bis Ostern nicht wirklich in Gang. Der Wuchs der Altnarben war überschaubar, da Düngergaben durch die Trockenheit nicht zum Zuge kamen. Flächen mit zeitigen Güllegaben im Februar waren dadurch bis Mitte April deutlich zu erkennen. Die ersten Betriebe fingen an sich über Alternativen Gedanken zu machen.
Geringe Erträge auf geschädigten Flächen
Im Mai haben Landwirte die ersten Ackergrasflächen gemäht. Deren Erträge ließen allerdings zu wünschen übrig. Grund: Obwohl der ideale Zeitpunkt für einen maximalen Ertrag nicht erreicht war, mussten die Flächen geschnitten werden, da dort Mais gelegt werden musste.
Den ersten Schnitt muss man unterteilen in geschädigtes und nicht geschädigtes Grünland. Auf denjenigen Flächen konnten normale bis hin zu zufriedenstellenden Erträgen generiert werden, die ohne Schäden ins Frühjahr gegangen sind. Hier täuschte häufig der Anblick. Das Untergras hat die Erträge gebracht, auch wenn die Wuchshöhe fehlte. Die Betriebe mussten nun aber ernten, da die Gräser anfingen ins Ährenschieben zu gehen und die Landwirte die Qualität des Futters hochhalten wollten. Die Erträge liegen hier zwischen 70 bis 100 Prozent der Potenziale.
Schäden durch Mäuse sind heterogen
Die geschädigten Flächen mit Mäuseschäden im Arbeitsgebiet der AGRAVIS Ems-Jade sind sehr heterogen. Hierbei kommt es darauf an, wie und wann nachgesät wurde. Herbstaussaaten stehen zufriedenstellend da, auch wenn diese zumeist noch hätten stehenbleiben können. Die Erträge liegen bei ca. 50 Prozent des eigentlichen Potenzials. Frühjahrsaaten sind zum Teil noch gar nicht aufgekommen. Gerade Flächen mit einer kompletten Bodenbearbeitung haben zusätzlich unter Trockenstress gestanden, so dass sich zumeist keine Narbe entwickeln konnte. Diese Flächen sind nur wegen der Arbeitserledigung mitgeschnitten worden. Betriebe, die großflächig Neuansaaten haben, lassen diese liegen. Sie hoffen auf Niederschläge und daraus resultierendes Wachstum.
Ernte fängt jetzt erst richtig an
Im Großen und Ganzen sind die Betriebe eher positiv überrascht, da sie von schlechteren Erträgen ausgegangen sind. Die Ernte fängt im Arbeitsgebiet der AGRAVIS Ems-Jade aber gerade erst an und wird sich nach Prognose von Lohnunternehmern wohl lange hinziehen. Bedenken haben die Betriebe hinsichtlich der Futtergewinnung nun eher bei der Entwicklung der Maisflächen.
Westfalen-Süd: erster Grünschnitt steht zum Teil noch aus
Im Arbeitsgebiet der AGRAVIS Kornhaus Westfalen-Süd GmbH steht der erste Grünschnitt weitestgehend noch aus: „Pferdefutter wird derzeit noch produziert. Es soll nicht so viel Energie enthalten, weshalb das Gras vor der Ernte aufblühen muss. Die geringeren Temperaturen führen in den Höhenlagen dazu, dass das Gras noch etwas wachsen muss, um gemäht zu werden“, schildert Frederik Fischer-Neuhoff, Vertriebsleiter der AGRAVIS Kornhaus Westfalen-Süd GmbH. „Auf den bereits gemähten Flächen berichten die Landwirte von einer guten Qualität, jedoch fiel die Erntemenge vergleichsweise gering aus. Die Ernte auf den übrigen Flächen beginnt voraussichtlich am kommenden Wochenende.“ Für den zweiten Schnitt hoffen die Landwirte daher auf Regen, um das Wachstum auf den Flächen anzuregen.
Gebiet Ost: der Mai ist richtungsweisend für die Ernte 2020
Im Vertriebsgebiet der Profuma Spezialfutter GmbH & Co. KG ist der erste Grünschnitt eingeholt. Im Gebiet Ost waren die Mengen beispielsweise in Brandenburg eher mäßig. In Thüringen, Sachsen, bis zur Altmark reichte es teilweise bis zu 10 Tonnen je Hektar. „Der Regen kam gerade noch rechtzeitig für den ersten Schnitt, die aktuellen Niederschläge werden auch für einen guten zweiten Schnitt sorgen“, berichtet Frank Schlaffer, stellvertretender Vertriebsleiter Ost bei der Profuma. Trockenheit und Nachtfrost haben einige Kulturen für den ersten Schnitt unterschiedlich beeinflusst. „Die Untergräser waren noch nicht fertig ausgeprägt, weshalb man bei guten Böden mit dem ersten Schnitt noch hätte warten können. Schlechtere Böden waren dagegen bereits überfällig. Die Monate April und Mai brachten insgesamt mehr Regen als 2018 und 2019. Zusätzlich sorgen die deutlich kühleren Nacht- und Maitemperaturen dafür, dass die wenig vorhandene Bodenfeuchtigkeit besser gehalten wird“, erläutert Schlaffer. Die Ertragserwartungen seien zwar höher als 2018 und 2019, jedoch regional sehr unterschiedlich aufgrund von Bodenbeschaffenheit und Niederschlagsmengen. „Der Mai ist mit seinen Niederschlagsmengen richtungsweisend für die Ernte 2020“, erklärt Schlaffer und ergänzt: „Beim Mais helfen auch geringe Schauer und normale Maitemperaturen, dann können die Bestände anschließend auch längere Trockenperioden gut überstehen.“
Profuma-Kunden besser aufgestellt als in den Vorjahren
Die Profuma-Außendienstberater haben derzeit viel zu tun, um die landwirtschaftlichen Betriebe in dieser kniffligen Lage zu unterstützen. Dennoch ist der Experte zuversichtlich, denn „unsere Kunden wirken 2020 allgemein besser aufgestellt im Umgang mit Trockenperioden und lassen sich diesbezüglich von unseren regionalen Außendienstberatern Möglichkeiten für eine stärkere Wirtschaftlichkeit aufzeigen.“ Vor allem Siliermittel stehen im Fokus der Beratung, um die geernteten Mengen an Grünschnitt, Mais und Ganzpflanzensilage zu sichern. Darüber hinaus werden Futterrationen individuell gerechnet und der aktuellen betrieblichen Situation angepasst.
Regionale Unterschiede im Münsterland
Im Münsterland werden in dieser Woche noch die letzten Flächen des ersten Grasschnittes eingefahren. In den östlichen und südlichen Regionen des Münsterlandes erwartet Dr. Sabine Rahn, Expertin für Futterkonservierung innerhalb der AGRAVIS, bis zu 30 Prozent Ausfälle im Vergleich zum Vorjahr. Das liegt in erster Linie an der Trockenheit und nächtlichen Kälte in den vergangenen Wochen, wie Landwirte Sabine Rahn berichteten. In den westlicheren Regionen sieht es etwas besser aus, allerdings sind die regionalen Unterschiede sehr groß. Regenmenge, Kälte sowie negative Einflüsse von Mäusen und regional auch Wildschweinen sorgen bisher noch für ein sehr heterogenes Bild.
Der Norden steht noch in den Startlöchern
In den nördlichen Bundesländern – Richtung Küste – beginnt der erste Grasschnitt erst in dieser Woche. Auch hier gilt: Es gibt große regionale Unterschiede und die genannten Einflussfaktoren für die von der AGRAVIS-Expertin erwarteten Mengen mit einem Rückgang von 30 bis 40 Prozent greifen auch im Norden. Prognosen zur Qualität der daraus erzeugten Grassilagen bedürfen noch etwas Zeit.
Die AGRAVIS Raiffeisen AG ist ein modernes Agrarhandelsunternehmen in den Segmenten Agrarerzeugnisse, Tierernährung, Pflanzenbau und Agrartechnik. Sie agiert zudem in den Bereichen Energie und Raiffeisen-Märkte einschließlich Baustoffhandlungen sowie im Projektbau. Die AGRAVIS-Gruppe erwirtschaftet mit mehr als 6.500 Mitarbeitern 6,5 Mrd. Euro Umsatz und ist als ein führendes Unternehmen der Branche mit mehr als 400 Standorten überwiegend in Deutschland tätig. Internationale Aktivitäten bestehen über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften in mehr als 20 Ländern und Exportaktivitäten in mehr als 100 Ländern weltweit. Unternehmenssitze sind Hannover und Münster.
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