StartWirtschaft und FinanzenEuGH-Urteil: Widerrufsrecht muss prägnant formuliert werden

EuGH-Urteil: Widerrufsrecht muss prägnant formuliert werden

Zahlreiche Kreditverträge widerrufbar, Verbraucher profitieren doppelt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt mit einem richtungsweisenden Urteil Verbraucherrechte: Beim Abschluss von Kreditverträgen müssen die vertraglichen Pflichtangaben und das Widerrufsrecht „klar und prägnant“ angegeben werden, so das höchste europäische Gericht in seinem Urteil vom 26. März 2020. Zahlreiche Verbraucherkreditverträge – darunter auch alte Immobilienverträge mit hohen Zinsen – können nun widerrufen werden.

Kaskadenverweisung schränkt Wirkung des Widerrufsrechts ein

Bisher war es üblich, dass der Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben auf nationale Vorschriften verwies, die wiederrum auf weitere nationale Vorschriften verwiesen – was eine Berechnung der Widerrufsfrist für den Verbraucher erheblich erschwert hat. Denn: Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt ab Unterzeichnung des Kreditvertrags und sobald der Kreditnehmer alle vertraglichen Pflichtangaben erhalten hat. Da diese Angaben nicht im Vertrag stehen, sondern in nationalen Vorschriften nachgelesen werden müssten, ist der Beginn der Widerrufsfrist nur schwer festzustellen. Es handelt sich um eine sogenannte Kaskadenverweisung. Das schränke die Wirkung des Widerrufsrechts stark ein, meint der EuGH. Daher müssen alle notwendigen Pflichtangaben im Kreditvertrag stehen.

Der Europäische Gerichtshof befasste sich mit diesem Thema, weil ein deutscher Verbraucher 2019 gegen die Kreissparkasse Saarlouis geklagt hatte. Er sei bei Abschluss eines Kreditvertrags aufgrund der Kaskadenverweisung nicht ausreichend über seine Widerrufsrechte aufgeklärt worden. Das zuständige Landgericht Saarbrücken bat den EuGH um Stellungnahme – der nun sehr verbraucherfreundlich entschied.

Alte Immobilienkreditverträge prüfen lassen

Das Urteil ist richtungsweisend für ähnliche Fälle. Besonders Verbraucher, die zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 einen Verbraucherkreditvertrag geschlossen haben, sollten ihren Vertag nun prüfen lassen. In diesem Zeitraum nutzen viele Banken eine Mustervorlage für eine Widerrufsbelehrung, die sich als rechtswidrig herausgestellt hat. Diese Verträge können nun widerrufen werden – auch wenn die 14-tägige Widerrufsfrist bereits abgelaufen ist.

Davon betroffen sind unter anderem Immobilienkreditverträge. Kreditnehmer mit einem Vertrag aus den Jahren 2010 bis 2016 können jetzt doppelt vom EuGH-Urteil profitieren: Diese Immobilienkreditverträge lassen sich mit Hinweis auf das jüngste EuGH-Urteil widerrufen. Damit wehren sich die Verbraucher zum einen gegen verbraucherunfreundliche Kreditverträge mit unverständlicher Kaskadenverweisung. Zum anderen lässt sich nun eine Anschlussfinanzierung zum deutlich niedrigeren, aktuell marktüblichen Zinssatz abschließen. Bei den alten Verträgen werden meist noch hohe Zinsen fällig, die heute nicht mehr üblich sind.

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