StartEssen und Trinken"Ernährungsdemokratie zum Anpacken" war ein voller Erfolg

„Ernährungsdemokratie zum Anpacken“ war ein voller Erfolg

120 Engagierte tauschten auf der offenen Konferenz Erfahrungen aus und vernetzten sich

Am 29.02. und 01.03.2020 fand im Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium die Konferenz „Ernährungsdemokratie zum Anpacken – gemeinsam lernen, gemeinsam genießen, ge-meinsam gestalten“ statt, zu der der Stadt.Land.Markt. e. V. in Kooperation mit der Bio-Stadt Bonn und der Initiative zur Gründung eines Ernährungsrats für Bonn und Umgebung eingeladen hatte. Gekommen waren rund 120 Ernährungsengagierte aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. In zahlreichen Workshops tauschten diese ihre Erfahrungen aus, wie sich die Lebensmittelversorgung auf kommunaler Ebene „von unten“ beeinflussen und so entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltiger gestalten lässt.

In Ihrer Begrüßungsrede betonte Brigitta Poppe-Reiners, Bürgermeisterin des Stadtbezirks Bonn, die Bedeutung einer nachhaltigen Ernährungsversorgung für die Stadt und hatte einen prominenten Gast dabei: den Oxforder Bürgermeister Craig Simmons. Dieser tourt gerade mit seiner Frau von Partnerstadt zu Partnerstadt, um deutlich zu machen, dass die Mehrheit der Oxforder nicht für den Brexit gestimmt hat. Simmons“ Besuch passte auch insofern sehr gut, da Oxford uns in Sachen Ernährungsdemokratie einen großen Schritt voraus ist. So hat die Initiative „Good Food Oxford“ in den sechs Jahren ihres Bestehens zwei öffentlich geförderte Stellen geschaffen, jährlich mindestens eine Großveranstaltung mit mehr als 1.000 Teilnehmer*innen auf die Beine gestellt sowie zahlreiche Informations- und Veran-staltungsformate umgesetzt, die der Bevölkerung das Thema nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung näher bringen. Ein Blick in die Bonner Partnerstadt lohnt also auf jeden Fall.

Immer mehr Ernährungsräte im deutschsprachigen Raum

Dass es in Deutschland, Österreich und in der Schweiz eine immer größer werdende Anzahl an Ernährungsräten und an Initiativen zur Gründung ebensolcher gibt, zeigte die „Aufstellung“, zu der Konferenz-Moderator Heinrich Dürscheid beim Startplenum zur Konferenz aufrief: Vertreter der Initiativen stellten sich im Saal auf und anschließend reihum vor, bevor viele von ihnen – wie bei einem Barcamp üblich – auf der Bühne ihre Workshop-Angebote präsentierten. Über 30 Themen kamen zusammen, vom Austausch über geeignete Veranstaltungsformate für Ernährungsinitiativen über die Förder- und Vermarktungsmöglichkeiten von regionalen und ökologisch erzeugten Lebensmitteln bis zu politischen Strategien für die Ernährungswende und Finanzierungsmöglichkeiten für Ernährungsräte. Außerdem gab es ein Preview von „Foodrevolution – Stadt trifft Land“, einem Dokumentationsfilm über Ernährungsräte in Deutschland und Brasilien, den das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) gerade in Zusammenarbeit mit MISEREOR produziert.

Bio-regionale Wertschöpfung fördern

Auf reges Interesse der Teilnehmer*innen stieß auch die Vorstellung der Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse, einem Online-Tool, das nachhaltige Leistungen von landwirtschaftlichen Betrieben – z. B. Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klima, Tierwohl, und regionale Wertschöpfung – sichtbar machen kann. Um regionale und nachhaltige Wert-schöpfungsketten ging es beispielsweise auch in der Session zum Projekt „Food Strips“, bei dem ein ehemaliges Braunkohlerevier zu einer Region der stadtnahen Lebensmittel-produktion weiterentwickelt werden soll. Darya Hirsch, Koordinatorin der Bio-Stadt Bonn, informierte über das Netzwerk der Bio-Städte, -Gemeinden und -Landkreise und gab Einblicke in ihre Tätigkeit. Die Arbeitskreise „Bio in Bonn“ und „Direktvermarktung“ der Bonner Initiative für einen Ernährungsrat brachten wertvollen Input ein, mit welchen Maßnahmen sie schon seit zwei Jahren dafür sorgen, dass bio-regionale Lebensmittelerzeuger ihre Produkte in Bonn vermarkten können – von der Bio-Gastro-Messe über die Marktschwärmerei und den Bauern-markt bis zur Foodcoop. Eine Dokumentation aller Workshops ist geplant, um die großartigen Impulse und Best-Practice-Beispiele anderen Akteuren zugänglich zu machen. Denn, wie zahlreiche Gespräche zeigten, ist vor allem für ehrenamtlich organisierte Initiativen der Austausch von Wissen und Erfahrungen ein hoch geschätztes Gut.

Ernährungsräte können Einfluss auf die Kommunalpolitik nehmen

Das Ziel aller Ernährungsräte ist es, durch ihre Arbeit das eigene, lokale Ernährungssystem zu verändern. Dabei sind die Organisationsformen in den verschiedenen Städten so unterschiedlich wie die Kontakte zur Politik. Weil es in den meisten Kommunal-verwaltungen keinen Ansprechpartner für Themen der Ernährungspolitik gibt, stehen Fragen rund um eine nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln, wenn überhaupt, weit unten auf der Agenda. Ernährungsräte können das ändern. Sie können ihre Forderungen in die (kommunal-) politischen Entscheidungsgremien tragen und auf diese Weise zum Beispiel dazu beitragen, wie Ausschreibungen für die Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen und Seniorenheimen ausgestaltet werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Verwaltungen die Expertise und die Innovationskraft der Ernährungsräte anerkennen und zu einer Zusammenarbeit bereit sind. In einigen Städten ist dies zum Glück schon der Fall.

Ernährungsrat Bonn ist in der Kommunalpolitik angekommen

In Bonn ist das Thema Ernährungsrat mittlerweile in der Kommunalpolitik angekommen, wie sich bei der Podiumsdiskussion am Vorabend der Konferenz zeigte. Die Oberbürgermeister-Kandidat*innen Lissi von Bülow (SPD), Katja Dörner (Die Grünen) und Michael Faber (Die Linke) signalisierten unisono, „dass das Thema wichtig ist und insbesondere auf kommunaler Ebene bearbeitet werden muss, um Veränderungen vor Ort zu erreichen.“, so Lissi von Bülow auf Facebook. Die Idee, einen Ernährungsrat in Bonn zu etablieren, unterstützen alle drei Kandidat*innen. Und auch aus den anderen Fraktionen ist zu hören, dass die vor Kurzem noch unbekannte Idee eines Ernährungsrats für Bonn und Umgebung auf Interesse und Zustimmung stößt. Zahlreiche Best-Practice-Beispiele aus anderen Städten zeigen eindrucksvoll, wie sich verschiedene Herausforderung in der Organisation der städtischen Ernährungsversorgung meistern lassen. Und so dürfte es auch für die kommunalen Entscheider von unschätzbarem Wert sein, vom Wissenstransfer zwischen den Ernährungsräten und weiteren Initiativen, die sich für eine nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln einsetzen, zu profitieren. Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen der Konferenz „Ernährungsdemokratie zum Anpacken“ sind sich jedenfalls einig, dass die Vernetzung untereinander so lebhaft weitergeführt werden und durch einen noch zu gründenden Netzwerk-Verein weiter gestärkt werden sollte.

Für Foto-Anfragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte per Mail an stadtlandmarkt@gmx.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht sowie über Belege bei Veröffentlichung!

Die Veranstalter*innen

Der Stadt.Land.Markt. e. V. wurde im Sommer 2018 gegründet, um Verbraucher aus der Stadt mit Erzeugern aus dem Umland zusammenzubringen. Neben dem Betreiben eines Bauernmarktes in der Bonner Altstadt verfolgt der Verein das übergeordnete Ziel, Bonner*innen über geeignete Veranstaltungs- und Bildungsformate für eine nachhaltige Ernährung zu sensibilisieren und über verantwortungsvoll erzeugte Lebensmittel zu informieren.
www.stadtlandmarktbonn.de

Die Stadt Bonn ist im Frühjahr 2019 als erste Stadt aus NRW dem Netzwerk Bio-Städte beigetreten. Ziel der Mitgliedschaft in der kommunalen Arbeitsgemeinschaft ist es, den Ökolandbau, die Weiterverarbeitung und die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln mit kurzen Transportwegen und regionaler Wertschöpfung verstärkt zu fördern. Die Stadt will dazu Projekte und Maßnahmen initiieren, Öffentlichkeitsarbeit machen und die weitere Einführung von Bio-Lebensmitteln in ihren Gemeinschaftseinrichtungen unterstützen.
www.bonn.de/bio-stadt

Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN).

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Bildquelle: © Stadt.Land.Markt. e. V. / Valeska Zepp