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Essen anreichen in der Altenpflege: Profi-Tipps und Literatur

von Gundolf Meyer-Hentschel

Link zum Beitrag mit weiteren Abbildungen und weiterführender Literatur

Essen und Trinken haben für jeden Menschen – gleich welchen Alters – eine zentrale Bedeutung für sein Leben und Wohlbefinden. Selbständig Essen zu können, wird von Kleinkindern als Erfolg erlebt, als Zeichen des Erwachsenwerdens. Eine umgekehrte Entwicklung erfahren viele Menschen in der vierten Lebensphase. Bedingt durch physische und/ oder kognitive Einschränkungen kann die selbständige Nahrungsaufnahme immer schwieriger werden. Zunächst dauern die Mahlzeiten immer länger, dann benötigt man punktuelle Unterstützung und schliesslich entsteht die Notwendigkeit, Essen anreichen zu müssen.

Wegen seiner zentralen Bedeutung für das Wohlbefinden des Menschen hat die Unterstützung beim Essen und Trinken unter allen Pflege- und Betreuungsmassnahmen eine besonders grosse Bedeutung (bzw. sollte sie haben).

Ziel: Selbständigkeit erhalten – so lange wie möglich

In fast allen Veröffentlichungen zu diesem Thema wird heute betont, dass es darum geht, die Selbständigkeit und das daraus resultierende Selbstvertrauen eines Menschen so lange wie möglich zu erhalten (siehe Quellen zum Schluss). Eine der Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels ist es, den Unterstützungsbedarf genau zu ermitteln, um eine Über- oder Unterversorung zu vermeiden. Für den Fall eines vermuteten Nahrungsmangels ist ein solches Assessment möglich mit Fragebögen nach PEMU.

Ermittlung des Unterstützungsbedarfs – z.B. Essen anreichen – bei den Mahlzeiten

Für die Ermittlung eines möglichen Unterstützungsbedarf bei Mahlzeiten ist aus meiner Sicht in erster Linie der Aspekt „Körperliche und kognitiv (geistig) bedingte Beeinträchtigungen“ des Instruments PEMU von Bedeutung (vgl. Abbildung). In diesem Beitrag möchte ich auf den dort genannten Punkt „Funktionseinschränkungen der Arme oder Hände“ aufmerksam machen.

Die grosse Bedeutung des Ellenbogens für die Nahrungsaufnahme

Neuere Daten (Shoulder and elbow range of motion for the performance of activities of daily living: A systematic review – PubMed (nih.gov)) machen darauf aufmerksam, dass schon geringe Einschränkungen der Ellbogenbeweglichkeit die selbständige Nahrungsaufnahme wesentlich beeinträchtigen können, was dazu führen kann, dass man Essen anreichen muss. Sollte dies bei Patienten/ Bewohnern mit Unterstützungsbedarf der Fall sein, könnte man durch gezielte Physiotherapie oder andere Therapien die Autonomie wieder herstellen und gleichzeitig den Betreuungsaufwand reduzieren.

Drei Beispiele

Der Ellbogen ermöglicht eine maximale Beugung (Flexion) von 150 Grad. Um eine Gabel zum Mund führen zu können, benötigt man eine Flexionsfähigkeit von mind. 146 Grad. Selbständig mit einem Löffel essen oder aus einem Glas zu trinken, erfordet eine Flexion von mind. 142 Grad. Diese Daten verdeutlichen, dass schon geringe Einschränkungen der Ellbogenfunktion erhebliche Auswirkungen auf die selbständige Nahrungsaufnahme eines Menschen bzw. den notwendigen Betreuungsaufwand haben können.

Natürlich kann man mit Bewegungseinschränkungen zurechtkommen. A.M Oosterwijk, M.K Nieuwenhuis, C.P van der Schans & L.J Mouton (2018, S. 1) nennen zwei mögliche Strategien.

Zum einen kann man sich mit kompensatorischen Bewegungsstrategien helfen, z.B. Kopf zum Besteck hin bewegen. Solche kompensatorischen Bewegungen bergen allerdings das Risiko, dass sie zu einer Überbelastung der dabei beanspruchten Gelenke oder Muskeln führen.

Eine zweite Strategie besteht darin, dass man spezielles Besteck und Geschirr verwendet, das im Hilfsmittel-Fachhandel angeboten wird. Hier machen die Autoren auf die psychologischen und sozialen Folgen aufmerksam, die durch Verwendung solcher Produkte entstehen. Kaum eines dieser Hilfsmittel dürfte geeignet sind, das Selbstvertrauen der betroffenen Personen zu fördern. Hinzu kommt der finanzielle Aufwand durch die Beschaffung von Spezialbesteck und -geschirr, Tellerranderhöhungen, Tassen mit Nasenaussparung usw.

Diese Aspekte führen zur Empfehlung der Autoren, die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um Bewegungseinschränkungen präventiv zu vermeiden oder zielorientiert zu therapieren (vgl. A.M Oosterwijk, M.K Nieuwenhuis, C.P van der Schans & L.J Mouton (2018, S. 12).

Praxistipp Essen anreichen

Durch Messung mit einen Goniometer (Winkelmesser für Gelenke, gibt es unter 10,- EUR) lässt sich schnell und einfach feststellen, ob ein Patient/ Bewohner ein maximal bewegliches Ellbogengelenk hat. Sollte dies nicht der Fall sein, kann man in Absprache mit Hausärztin/ Hausarzt klären, welche Ursachen dafür verantwortlich sind und ob eine Physiotherapie oder andere Therapie Besserung bringen könnte. Allgemeine Trainingseinheiten zur Erhaltung der Beweglichkeit der Ellenbogen lassen sich vielleicht auch in die Aktivierungsprogramme integrieren, die in vielen Einrichtungen der Langzeitpflege angeboten werden.

Weitere Praxistipps für die Langzeitpflege finden Sie hier, z.B. einen Beitrag über die Kosten, die durch (unentdeckte) chronische Schmerzen verursacht werden.

Literatur

DNQP: Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege (Auszug), 1. Aktualisierung 2017

Fresenius-Kabi: Assessment nach PEMU – Nahrung
https://www.fresenius-kabi.com/de/documents/K_Nahrungsmangel_PEMU_digitalFormular_09.2015_Ass.pdf

Huhn, Siegfried, Essenreichen will gelernt sein, BibliomedPflege, 2018

A.M Oosterwijk, M.K Nieuwenhuis, C.P van der Schans & L.J Mouton (2018): Shoulder and elbow range of motion for the performance of activities of daily living: A systematic review, Physiotherapy Theory and Practice, 34:7, 505-528, DOI: 10.1080/09593985.2017.1422206

PRO PflegeManagement: Mahlzeiten für Pflegebedürftige im hohen Alter

Zentrum für Qualität in der Pflege (Hrsg.): Essen und Trinken – Praxistipps für den Pflegealltag, 9. Aufl., Berlin 2020

Die Age Suit Germany GmbH in Saarbrücken ist ein Anbieter von Simulations-Tools für Unterricht, Forschung und Produktentwicklung. Unser Kern-Produkt, der Alterssimulationsanzug AgeMan®, dient dazu, gesundheitliche Einschränkungen des Alters für jüngere Menschen unmittelbar erfahrbar zu machen.

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