Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde, doch viele haben nur ein diffuses Bild davon. Was KI heute ist und morgen sein könnte, erklärt KI-Experte Ralf Otte in seinem spannenden Buch.
1997 überwand der Computer Deep Blue den damaligen Weltmeister im Schach, 2016 siegte AlphaGo gegen den damaligen Weltranglistenersten im Go. Seitdem kamen ernsthafte Sorgen auf, Maschinen könnten klüger werden als Menschen. Am Ende würden Maschinen selbst Maschinen bauen und bräuchten uns nicht mehr. KI-Experte Ralf Otte hält das für Unsinn: Die heutige KI, also die auf Digitalcomputern implementierte Künstliche Intelligenz, wird niemals an die allgemeinen Intelligenzleistungen von Menschen heranreichen. Um das zu verstehen führt Otte fünf Stufen der Intelligenz ein und zeigt, dass die heutige KI prinzipiell nur die ersten beiden Stufen, das Denken und Lernen, erreichen kann, und selbst das nur als rein mathematisierte Intelligenz. KI-Systeme heutiger Bauart werden weder Gefühle wahrnehmen noch jemals einen Willen ausprägen, und ihnen fehlt jegliche emotionale Intelligenz. Für Wahrnehmung, Gefühle oder Willen benötigt die KI nämlich Bewusstsein, und das besitzt sie heute nicht.
Aktuelle KI-Anwendungen heißen Data Mining, Data Science, Big Data, und schon bald wird unser Leben von diesen digitalen KI-Anwendungen durchdrungen sein. Und das sollte uns durchaus Sorgen bereiten, denn die Anwendungen werden nicht nur in der Industrie zur Optimierung, sondern leider immer mehr für eine massive Überwachung von Menschen eingesetzt. Aber die Urangst, von der Krone der Schöpfung gestoßen zu werden, die der KI häufig entgegengebracht wird, entlarvt Otte in seinem Buch als völlig haltlos, unterscheidet sie doch nicht zwischen mathematisch simulierter und wirklicher Intelligenz. Aus mathematischen Verfahren entsteht aber niemals eine bewusste Persönlichkeit.
Der internationale Fortschritt bei der Weiterentwicklung der KI ist allerdings so rasant, dass es schon heute wichtig ist, sich mit einem möglichen „Geist in der Maschine“, einem künstlichen Bewusstsein (Artifical Consciousness) zu beschäftigen. Denn das wird eine neue Stufe der KI einläuten, deren Chancen und Risiken wir alle kennen sollten.
Gut verständlich erklärt der Autor, wie KI-Forscher bereits an einer neuen Form des Bewusstseins arbeiten, das nicht menschlich, sondern ein eigenes Maschinenbewusstsein ist. Ein derartiges rudimentäres Bewusstsein wird bald in bestimmten Maschinen entstehen, und das ist faszinierend und erschreckend zugleich. Otte beschreibt die Eigenschaften dieses Maschinenbewusstseins und dessen Nutzen für künftige Anwendungen, doch weist er auch auf die neuen Risiken hin. Eindringlich warnt er vor der Entwicklung zum Transhumanismus, der Verknüpfung von Maschinen mit menschlichen Zellen. Dies würde sich nach seiner Einschätzung als das größtmögliche Unheil erweisen, das KI-Forscher der Gesellschaft jemals antun könnten. Doch niemand zwingt uns als Gesellschaft, derartige Wege zu gehen.
Das Buch regt zur Auseinandersetzung darüber an, welche „intelligenten“ Maschinen wir haben wollen und welche Bedeutung Maschinenbewusstsein hat. Sowohl für uns als auch für das Zusammenleben mit den anderen lebendigen Mitbewohnern unseres Planeten.
Der Autor
Dr. Ralf Otte ist Professor für Industrieautomatisierung und Künstliche Intelligenz an der Technischen Hochschule Ulm. Seit über 25 Jahren arbeitet er an KI-Projekten in Industrie und Gesellschaft. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich des Maschinellen Sehens und der Erforschung von Bewusstsein auf Maschinen.
Ralf Otte
Maschinenbewusstsein
Die neue Stufe der KI – wie weit wollen wir gehen?
248 Seiten, kartoniert, 27,95 Euro
ISBN 978-3-593-51470-3
Erscheinungstermin: 15. September 2021
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