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Innovativer Test im Kreis Steinburg: Schlaue „Wachhunde“ für das Stromnetz der Zukunft

Forschungsprojekt des Bundesforschungsministeriums testet erstmalig ein intelligentes Schutzsystem für mehr Flexibilität im Netz.

Im Kreis Steinburg erprobt Schleswig-Holstein Netz mit Projektpartnern innovative Schutzsysteme für das Stromnetz der Zukunft. Bildlich gesprochen, sind Schutzsysteme die „Wachhunde“ des Netzes. Sie messen Ströme und Spannungen in Schaltfeldern. Wenn zum Beispiel ein Bagger ein Kabel beschädigt und es dadurch zu einem Kurzschluss kommt, schlägt der „Wachhund“ an – und schaltet den entsprechenden Bereich vorübergehend ab. Der Nachteil des bisherigen Systems: Die „Wachhunde“ lernen nicht dazu. Sie werden einmalig eingestellt und können anschließend auf Veränderungen im Stromnetz nicht mehr reagieren. Schleswig-Holstein Netz wird im Kreis Steinburg erstmals „schlaue Wachhunde“ an verschiedenen Knotenpunkten als Schutz in seinem Netz installieren und testen. Der Einbau der innovativen Geräte ist im Juli 2021 gestartet. Umgesetzt wird dies im Rahmen des Kopernikus-Projektes ENSURE des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Jan Hansen, Leiter Operative Netzsteuerung und Prozessdatentechnik bei Schleswig-Holstein Netz, sagt: „Das innovative Schutzsystem, das in unserem Netz getestet wird, hilft uns bei der Gestaltung der Energiewende. Während die Netze bei uns im Norden durch Windenergie geprägt sind, spielt im Süden Deutschlands die Photovoltaik eine sehr große Rolle. Im Energiekosmos ENSURE decken wir beide Anwendungsbereiche ab – die Ergebnisse können daher später auf das Stromnetz in ganz Deutschland übertragen werden.“

Die Schutzgeräte für den Adaptivschutz stammen vom Hersteller Siemens. Ute Redecker, Head Digital Grid Siemens Deutschland, sagt: „Das Energiesystem in Deutschland verändert sich schnell und grundlegend: Die Anzahl der Energieerzeugungseinheiten hat sich von einigen 100 Anlagen Ende der 1990er auf aktuell rund zwei Millionen erhöht, vor allem aus erneuerbaren wie Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Auf Verbrauchsseite steigt die Zahl der Prosumer und gleichzeitig müssen wir variable Lasten wie etwa die Ladeinfrastruktur für elektrische Fahrzeuge ins Stromnetz integrieren. Flexibilität ist hier entscheidend. Um weiterhin eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten, ist der Schritt zum Adaptivschutz wichtig.“

Der Adaptivschutz selbst wird innerhalb des Energiekosmos ENSURE entwickelt und soll sich später im Betrieb eigenständig an die aktuelle Netzsituation anpassen. „Dies ist besonders vor dem Hintergrund der Energiewende wichtig, da durch die Menge der regenerativen Einspeisung laufend neue Netzsituationen entstehen können“, erläutert Malte Schumacher, Projektmanager Kommunikations- und Leittechnik bei Schleswig-Holstein Netz. Die Idee: Ein zentrales, übergeordnetes Sicherheitssystem (Protection Security Assessment) überwacht die Schutzsysteme laufend, bewertet diese und sendet die Einstellparameter, die zur aktuellen Netzsituation ermittelt wurden, an die Schutzgeräte. Die „Wachhunde“ gehorchen regelmäßig neuen Befehlen – ihr „Gehirn“ lernt also kontinuierlich dazu. Im Idealfall kann das Stromnetz ohne ausschlagenden „Wachhund“ mehr grünen Strom aufnehmen. Dr. Malte Posewang, ENSURE-Projektleiter bei Schleswig-Holstein Netz, sagt: „Es freut mich, dass wir in ENSURE nun mit der Realisierung der Pilotanlagen beginnen können. Wir wollen innovative Anlagen erproben, um die Energiewende voranzubringen. Die gemeinsame Forschung mit Siemens am Adaptivschutz zielt darauf ab, die Netzsicherheit und -qualität zu steigern. Außerdem schaffen wir Grundlagen für ein flexibleres Netz.“

Prof. Dr. Rainer Krebs, Leiter der Abteilung „Protection Operation and Control System Studies“ bei Siemens PTI, sagt: „Nachdem wir bereits seit einiger Zeit am Adaptivschutz gearbeitet haben, freuen wir uns nun, dass wir jetzt gemeinsam mit Schleswig-Holstein Netz in die nächste Phase der Erprobung im Feld gehen können.“

Damit dies gelingen kann, kommen im Rahmen des Feldversuches erstmals satellitengestützte Messungen zum Einsatz. Die PMU-Geräte (Phasor Measurement Unit) liefern bis zu 50 Werte pro Sekunde, beispielsweise zu Spannung und Frequenz im Stromnetz. Dr. Malte Posewang: „Über die PMUs erhalten wir genauere Angaben über den Netzzustand. Zusammen mit dem Adaptivschutz können wir Lösungen für eine steigende Grünstrom-Einspeisung erproben.“ Mit diesen neuen Messeinheiten werden kurz- oder mittelfristige Veränderungen im Stromnetz sichtbar und die Messungen an verschiedenen Netzpunkten vergleichbar, sodass die Forscher das Gesamtsystem besser beobachten können. Hiermit identifizieren und nutzen sie Potenziale für den Anschluss weiterer EEG-Anlagen. Zudem können sie Maßnahmen des Netzausbaus besser analysieren und bewerten. Auch die „Wachhunde“ werden mit den PMU-Daten gefüttert. Während des Feldversuchs haben die neuen Schutzsysteme übrigens noch keinen Einfluss auf eventuelle Abschaltungen im Netz. Die „Wachhunde“ werden lediglich trainiert und ihre Lernkurve beobachtet.

Die Schleswig-Holstein Netz AG im Kurzprofil

Die Schleswig-Holstein Netz AG (SH Netz) betreibt für rund 2,8 Millionen direkt oder indirekt angeschlossene Kunden Strom- und Gasleitungen in mehr als 900 Kommunen in Schleswig-Holstein. Über 400 schleswig-holsteinische Kommunen halten Anteile an SH Netz. Sie haben umfangreiche Mitspracherechte und erhalten eine Garantiedividende. Das Unternehmen beschäftigt ca. 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an vielen Standorten in Schleswig-Holstein.

SH Netz hat als Partner der Energiewende bereits zehntausende Windräder und Solaranlagen an das Stromnetz angeschlossen. Darüber hinaus entwickelt das Unternehmen Energielösungen, wie Smart-City-Anwendungen und unterstützt den Ausbau der Elektromobilität. SH Netz engagiert sich in Innovationsprojekten für mehr Klimaschutz. Dazu gehören beispielsweise Einspeiseanlagen, mit denen Biogas- oder aus Windstrom produzierter Wasserstoff ins Erdgasnetz aufgenommen werden kann, oder staatlich geförderte Forschungsprojekte.

Bis 2030 wird SH Netz klimaneutral sein: Dazu wird sie ihre 25 Standorte, über 600 Fahrzeuge sowie den Strom- und Gasnetzbetrieb in mehreren Stufen bis 2030 auf Klimaneutralität umstellen. Außerdem unterstützt das Unternehmen seit vielen Jahren den regionalen Spitzen- und Breitensport in Schleswig-Holstein, zum Beispiel das härteste Ruderrennen der Welt auf dem Nord-Ostsee-Kanal.

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