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Privilegien für Geimpfte? Differenziert betrachten!

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Eine Meinung und ein Appell von Stefan Lode, Rechtsanwalt, Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender der grosseltern AG.

Die Kampagne im Hinblick auf die Corona-Schutzimpfung nimmt Fahrt auf und immer mehr Leute sind bereits zweimal geimpft. Gerade bei den älteren Mitbürgern sind viele Menschen geimpft. In der Bevölkerung entbrennt eine Diskussion, inwieweit (voll-)geimpfte Personen noch Coronabeschränkungen unterliegen müssen, welche „Privilegien“ Geimpften eingeräumt werden sollten. Diese Diskussion wird emotional geführt; es ist von Neid und mangelnder Solidarität die Rede. Es droht, dass sich ein Konflikt zwischen Jung und Alt entwickelt, zwischen geimpft und nicht-geimpft, immer gepaart mit dem Vorwurf mangelnder Solidarität.

Hierzu eine Meinung und ein Appell von Stefan Lode, Rechtsanwalt, Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender der grosseltern AG.

„Die Diskussion um „Privilegien für Geimpfte“ ist wieder mal typisch deutsch.

Statt sich zu freuen, dass mehr und mehr Leute geimpft sind, dass die Impfzentren allermeistens gut funktionieren, die Hausärzte mitarbeiten, dass die älteren Mitbürger ihren Impfschutz haben und dass man nach Monaten schlechter Nachrichten zum Thema Corona nun über Lockerungen nachdenkt, wird eine Diskussion entfacht und von den Medien befeuert, die erhebliche soziale Sprengkraft hat.

So wird einerseits vorgebracht, von Geimpften ginge keine Ansteckungsgefahr mehr aus, deshalb müsse man diesen wieder Freiheiten einräumen. Tatsächlich hat das Robert-Koch-Institut ja jüngst (Stand Anfang Mai 2021) verlautbaren lassen, dass es nahezu unmöglich ist, dass vollständig Geimpfte das Corona Virus noch übertragen. Andererseits wird aber auch argumentiert, mehr Freiheiten für Geimpfte seien eine Ungleichbehandlung der – meist jüngeren- Mitbürger, die noch nicht geimpft seien. Es wird darüber nachgedacht, inwieweit Corona-Einschränkungen-auch vor dem Hintergrund der Impfstoffknappheit-weiter für alle Bestand haben können, zumindest bis allen Mitbürgern theoretisch ein Impfangebot gemacht werden konnte.

Es werden juristische und soziale Argumente ausgetauscht. Diejenigen, die geimpft sind, berufen sich auf ihre Freiheitsrechte. Diejenigen, die noch nicht geimpft sind und die aufgrund des Alters und der Tatsache, dass sie nicht in eine priorisierte Gruppe fallen, auch in den nächsten Wochen noch nicht geimpft werden, fordern Solidarität. Es droht ein Konflikt „Nicht-geimpft“ gegen „Geimpft“, zum Teil auch jung gegen alt, es droht Neid, Missgunst und eine noch stärkere Belastung der Gesellschaft durch Corona.

Vielleicht sollte man die Angelegenheit differenziert betrachten. Hierzu gibt es juristische und sozial-gesellschaftliche Überlegungen und Argumente.

Juristisch und im Hinblick auf die Freiheitsrechte ist die Angelegenheit zunächst relativ eindeutig: Unsere Verfassung räumt jedem Bürger umfangreiche Freiheitsrechte ein. Diese Freiheitsrechte sind wichtig, auf ihnen fußt unser aller Wohlergehen und unser Wohlstand. Durch die Freiheitsrechte können wir uns als Persönlichkeiten frei entfalten und unser Leben weitestgehend so leben, wie wir es möchten. Die Freiheitsrechte werden nur eingeschränkt, wenn Rechte anderer, höhere Rechte betroffen sind. Wenn also zum Beispiel das hochrangige Recht des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit anderer Menschen bedroht ist, können unsere Freiheitsrechte eingeschränkt sein. Darum dürfen wir nicht mit 75 km/h durch eine Fußgängerzone fahren.

Aus diesem Grund war es auch in den letzten Monaten durchaus gerechtfertigt, wenn unsere Freiheitsrechte durch die Corona Auflagen eingeschränkt wurden: Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Herunterfahren von Teilen der Wirtschaft – hierdurch sollten höhererrangige Rechtsgüter, wie das Leben von Mitbürgern, geschützt werden. Der Staat durfte diese Einschränkungen der Freiheitsrechte vornehmen, solange Gefahr für die höherrangigen Rechtsgüter bestand. An einigen Stellen ist der Staat über das Ziel hinaus geschossen, da wurden Korrekturen durch die Gerichte vorgenommen, überwiegend waren die Einschränkungen aber im Einklang mit der Verfassung. Im Übrigen waren die Maßnahmen zum größten Teil auch im Einklang mit dem Willen der Bevölkerung, die manchmal mehr Verständnis für die Maßnahmen hatte, als dies die stets wankelmütige Politik wahrhaben wollte.

Einer Person, die zweimal geimpft ist und durch die keine Ansteckungsgefahr mehr besteht und durch die damit auch kein Leben durch eine Coron- Ansteckung mehr gefährdet wird, kann der Staat die Freiheitsrechte aus diesem Grund der Gefährdung eines höheren Rechtsgutes nicht mehr entziehen.
Punkt-keine Diskussion-das ist unsere Verfassung-das sind unsere Grundrechte. Grundrechte sind keine „Privilegien“- Grundrechte sind Grundrechte, wir haben alle Glück, in einem Staat zu leben, wo das so ist.

Dieses juristische Argument wird auch nicht dadurch erschüttert, dass andere die Freiheit nicht haben. Die Grundrechte schützen den Bürger vor der Einschränkung der Freiheiten durch den Staat. Ungerechtfertigte Einschränkungen durch den Staat müssen unterbleiben. Die Grundrechte gewähren aber kein Recht eines Bürgers, auch so behandelt zu werden. Denn einerseits ist der starke Wille, etwas auch zu bekommen -nennen wir es Neid- keine verfassungsrechtlich relevante Motivation. Daneben liegt auch keine -wie oft angeführt wird- Ungleichbehandlung vor. Denn es besteht ein Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften und gerade aufgrund dieses Unterschiedes wird ja der eine anders behandelt, als der andere. Der eine ist ansteckend und kann die Krankheit übertragen, der andere nicht.

Bei den sozial-gesellschaftlichen Überlegungen und Argumenten kommt man zu einem ein wenig anderen Bild.
Schließlich sind viele derjenigen, die jetzt geimpft sind und die jetzt ihre Freiheitsrechte zurückerhalten, tatsächlich in den Vorteil einer frühen Impfung gekommen. Ob dies wirklich ein „Privileg“ am Ende ist, ist in vielen Fällen fraglich. Denn Personen, die etwa wegen gewisser Vorerkrankungen früh geimpft wurden, würden sicherlich auf diese Vorerkrankung gerne verzichten und später geimpft werden. Gleichwohl ist es gut und beruhigend, wenn man weiß, dass man geimpft und damit zumindest vor einem tödlichen Krankheitsverlauf geschützt ist.

Wenn nun aber wenige Teile der Bevölkerung den Vorteil der frühen Impfung hatten, so konnte dies nur geschehen, weil andere -jüngere, gesündere, Erwerbstätige in nicht priorisierten Berufsgruppen-gewartet haben bzw. weil bei ihnen vom Start verordnet wurde, zu warten. Denn es wurde ja staatlicherseits bestimmt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen früher, andere später mit der Impfung dran sind.

Dieses Abwarten droht jetzt zu einem Nachteil zu werden. Denn solange die Impfungen noch nicht vollzogen sind, muss man wohl oder übel die staatlicherseits verhängten Einschränkungen weiter in Kauf nehmen. Es ist klar, dass diejenigen, die weiter den Einschränkungen unterliegen, sich schlecht fühlen, wenn die Mitbürger, auf die sie Rücksicht genommen haben, nun wieder alle Freiheiten haben. Gleichzeitig kann man den vollständig Geimpften die Freiheiten aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht vorenthalten, siehe oben.

Eine wahre Zwickmühle.

Auflösen ließe sich diese Zwickmühle, wenn es realistisch wäre, dass sich alle an einen Appell halten: „Nutzt die Vorteile der Impfung nicht, um keinen Unfrieden in der Gesellschaft zu stiften. Hieran halten wir uns, bis jedem ein Impfangebot gemacht wurde“.

Leider ist dies unrealistisch. Gleichwohl könnte man den Geimpften schon ans Herz legen, mit den neuen Freiheiten sorgsam und sparsam umzugehen und hierdurch ein wenig Dankbarkeit und Solidarität zu zeigen gegenüber denen, die sich hinten angestellt und damit auch ihre Solidarität gezeigt haben.

Auflösen könne man diese Zwickmühle weiter, wenn man weniger daran denkt, was Nicht-Geimpften noch nicht erlaubt ist, sondern vielmehr überlegt, wie man Nicht -Geimpften Möglichkeiten gibt, ähnlich frei zu agieren, wie die Geimpften.
Hier ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Nicht-Geimpften zu helfen.
Wenn also z.B. Geimpfte reisen können, muss man überlegen, wie Nicht -Geimpfte auch reisen können. Wenn etwa ein negativer PCR Test für eine Reise gleichgestellt wird einem Impfnachweis, muss die Gesellschaft, die Politik und Verwaltung alles tun, damit Nicht -Geimpfte schnell, einfach, unbürokratisch und kostenlos einen solchen Test bekommen.

Hier ist der Pragmatismus gefragt, den wir alle in den letzten Monaten vermisst und den uns andere Länder vorgemacht haben – Machen statt Probleme diskutieren, umsetzen statt bremsen, Aktivität statt Arbeitsgruppen.
Am Ende ist es doch so: Einem Teil der Bevölkerung haben wir alle gemeinsam geholfen, einen schnellen Schutz vor schwerer Corona- Erkrankung zu erhalten. Nun müssen wir alle auch dem anderen Teil der Bevölkerung helfen, schnell ohne wesentliche Einschränkungen den Sommer genießen zu können, bis sie mit dem Impfen an der Reihe sind.

Kein Streit, kein Neid, gemeinsam….“

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