Start Handel und Dienstleistungen Warum Selbstreflexion für Unternehmer wichtig ist – gerade jetzt in der Krise

Warum Selbstreflexion für Unternehmer wichtig ist – gerade jetzt in der Krise

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Clemens Adam gibt im Interview wertvolle Tipps und erklärt, wie Unternehmen einfach überzeugen können

Clemens Adam ist Vertriebs- und Führungsexperte und hat sich auf die Selbstreflexion von Prozessen und Verhaltensweisen in Unternehmen spezialisiert. Im Interview erklärt er, warum Selbstreflexion für Unternehmen so wichtig sind, warum er sich für Mitarbeiter stark macht und welche Tipps er jedem Unternehmer an die Hand gibt.

Viele verbinden Selbstreflexion mit persönlicher Selbstoptimierung, Sie hingegen sprechen damit gezielt Unternehmen an – wie passen Selbstreflexion und Unternehmertum zusammen?

Wenn Unternehmen über Veränderungen nachdenken, hilft ein Blick von außen. Denn ich habe schon oft erlebt, dass Unternehmen nicht bewusst war, welches Potenzial noch schlummert. Ein Kollege hat mal zu mir gesagt, zur Selbstreflexion eines Unternehmens beizutragen ist, als ob man die Trüffel sucht, die noch ausgegraben werden müssen – das trifft es ganz gut. Ich gehe weg von der reinen Analyse von Zahlen, Daten und Fakten und schaue mir an, wie Prozesse funktionieren und welche Qualifikationen Mitarbeiter haben. Das ist gerade jetzt relevant, denn in Zeiten der Corona-Pandemie müssen sich viele Unternehmen verändern. Und dafür müssen sie reflektieren, bevor sie optimieren können.

Das klingt umfassend und zeitaufwändig – wie lange dauert so ein Prozess?

Das hängt immer von den Menschen ab und auch von den Strukturen in einem Unternehmen. Je größer das Unternehmen ist und je mehr Hierarchiestufen es gibt, umso schwieriger wird es. Ich habe schon erlebt, dass Unternehmen innerhalb von ein bis zwei Tagen wichtige Ansatzpunkte herausgefunden haben. Manche brauchen sogar nur Stunden. Doch wenn man es nachhaltig umsetzen möchte, braucht es etwas länger. Denn man muss erst analysieren, dann daraus das Wissen ableiten und es anschließend in die Umsetzung bringen. Das dauert ein paar Tage, weil man die Mitarbeiter mit ins Boot holen muss und das Ganze am Ende auch mit Zahlen, Daten und Fakten bewerten muss. Dann ist das auch für Aktionäre, Eigentümer oder Investoren transparent und sie können verstehen, warum vielleicht kein Personalabbau sinnvoll ist.

Lässt sich bei Mitarbeitern nicht am einfachsten sparen?

Viel zu oft geht mit den Menschen auch wichtiges Wissen verloren. Und oft ist Personal nicht richtig aufgestellt, um volle Leistung zu bringen, oder wir können gemeinsam gute neue Ideen entwickeln. Dafür muss man Empathie mit den Menschen aufbauen und dafür sorgen, dass die Menschen eine Veränderung mittragen. Vor allem muss man als Führungskraft bereit sein, auch mal andere Meinungen zuzulassen – das ist die größte Hürde für Unternehmer.

Und dafür ist der Blick von außen entscheidend?

Ja. Ich habe schon Unternehmen erlebt, bei denen große Beraterfirmen viel Einsparpotenzial ausgemacht haben. Das Motto war klar: sparen, sparen, sparen. Hinterher ging es dem Unternehmen aber schlechter, weil man die Menschen vergessen hat. Ein Unternehmen hat mich um Hilfe gebeten, nachdem deren Verkäufer innerhalb von zwei Wochen keinen einzigen Auftrag akquiriert haben und der Betrieb kurz vor der Insolvenz stand. Vor Ort habe ich dann 13 Mitarbeiter angetroffen, die auf Anrufe gewartet haben, statt selbst aktiv zu werden. Nach zwei Stunden Coaching haben sie die Kunden angerufen, die fünf Jahre nichts mehr bestellt hatten, und gemerkt, dass 40 Prozent davon schlicht nicht mehr wussten, wo sie bestellt hatten. In diesen zwei Stunden wurden 52.000 Euro Umsatz generiert. Kurzarbeit war kein Thema mehr – im Gegenteil: Trotz Corona-Krise hat die Firma drei Monate später sogar neue Mitarbeiter eingestellt. Wichtig dafür war, zu reflektieren, was eigentlich schief läuft.

In unsicheren Zeiten wie der Corona-Krise wollen viele Unternehmen eher sparen. Warum ist es gerade jetzt wichtig, in Selbstreflexion zu investieren?

Die meisten Kunden sagen hinterher: Ich habe mein Ergebnis deutlich verbessert, warum habe ich nicht früher auf einen Blick von außen gesetzt. Und gerade jetzt kann man die Zeit nutzen: Viele Projekte, die aktuell ausgebremst sind, könnten im Zuge der Digitalisierung erleichtert werden. Damit würden sie schneller, effizienter, mit einem besseren Ergebnis. Doch um das zu ermöglichen, müssen Mitarbeiter geschult werden. Dafür haben sie jetzt Zeit, wenn die Auftragslage nicht so gut ist. Viele Unternehmer wissen, wie wichtig zum Beispiel Weiterbildungen sind, kommen aber nicht in die Umsetzung, weil ihnen jemand fehlt, der erklärt, wie es umgesetzt werden kann.

Warum kennen genau Sie sich mit solchen Prozessen aus?

Ich habe mein eigenes Leben reflektiert und mit vielen Unternehmen gearbeitet, wo mir genau diese Themen immer wieder begegnet sind. Zu Beginn meiner Karriere war ich 15 Jahre im Einzelhandel tätig und am Schluss für 1000 Mitarbeiter verantwortlich. Ich habe erlebt, wie ein Verantwortlicher eine falsche Entscheidung getroffen hat, ohne die Folgen zu berücksichtigen. Hätte er reflektiert und mit uns darüber gesprochen, hätte er eine Kündigungswelle vermeiden können. Stattdessen habe auch ich gekündigt und danach erfahren, dass der Umsatz meines Bereichs nach meinem Ausscheiden um 25 Prozent eingebrochen ist.

Wo setzen Sie bei Ihren Beratungen konkret an?

Ich drehe auch mal das Rad zurück und hinterfrage, was anders war, als das Geschäft noch funktioniert hat. Gerade langjährige Mitarbeiter haben häufig ein wertvolles Wissen, das sie teils nicht mit ihrem Chef teilen – weil sie sich nicht trauen. Häufig haben sich auch ungute Muster eingeschlichen. Ein Verkäufer hat beispielsweise nicht einmal versucht hat, ein Produkt zum Normalpreis anzubieten: Schon im ersten Gespräch hat er mir den besten, reduzierten Preis versprochen. Dabei hatte ich nicht einmal danach gefragt. Grund für sein Verhalten war auch der Vorgesetzte, der unbegrenzt Preisnachlässe ermöglichte. Selbstreflexion ist dabei sehr wirkungsvoll: Es ist ja nicht nur das Umfeld, sondern auch das Verhalten. Das ist ein großes Feld mit riesigem Potenzial: Schon kleine Veränderungen können dazu beitragen, dass ein Unternehmen besser dasteht. Und das ist gerade in Krisen wichtig.

Es klingt fast, als seien Sie dann gefragt, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist: Wann ist ein guter Zeitpunkt für Selbstreflexion?

Ich rate schon bei der Gründung eines Unternehmens: Mach das regelmäßig und thematisiere es vierteljährlich in einer Teambesprechung. Dabei kann man acht Kernthemen abarbeiten und hat dann auf dem Tisch, was schief laufen kann. Dann kann man Prozesse anstoßen, um das in den Griff zu bekommen. Wichtig ist, dran zu bleiben: Selbst wenn die Auftragsbücher momentan voll sind, kann es in einigen Monaten ganz anders aussehen. Den Markt zu beobachten, ist auch eine Selbstreflexion. Doch die meisten Firmen haben keinen Prozess dafür.

Für wen ist diese Selbstreflexion besonders wichtig?

Für jeden. Doch die meisten meiner Kunden sind mittelständische, kleine Unternehmen, die merken, dass bei ihnen etwas nicht rund läuft. Große Unternehmen setzen häufig auf große Beraterfirmen, die ihnen ausrechnen, dass tausend Menschen entlassen werden sollten. Stattdessen könnte man auch diese 1000 Menschen fragen, was man anders und besser machen könnte. Ich schließe Kündigungen nicht aus. Doch man sollte schauen, welche Kompetenzen die Mitarbeiter haben und wie man diese nutzen kann.

Warum sind Mitarbeiter so entscheidend?

Weil sie häufig eine unglaubliche Kompetenz haben. Wenn ein Mitarbeiter mit 20 Jahren Berufserfahrung sagt, dass die Schraube aus Edelstahl sein muss, dann hören Sie darauf. Er weiß, wovon er spricht. Denn eine einfachere Metallschraube mag ein paar Cent günstiger sein – sie geht aber häufiger kaputt und rostet. Gerade in Zeiten des Facharbeitermangels ist es auch wichtig, attraktiv für qualifizierte mögliche Mitarbeiter zu sein: Man muss den Menschen in den Fokus rücken und nicht nur zum Wohl von Aktionären die Kosten reduzieren.

Was kann jedes Unternehmen sofort umsetzen?

1. Das Umfeld anschauen: Hat es die richtigen Kunden, die richtigen Produkte, die richtigen Arbeitsplätze? Fragen Sie die Mitarbeiter selbst, denn die wissen, was man verbessern kann.
2. Achten Sie auf Ihr Verhalten: Wer sofort Mitarbeiter entlässt, verliert das Vertrauen der übrigen. Mitarbeiter, die um ihre Stelle fürchten, sind nicht so produktiv und schauen sich vielleicht schon nach etwas anderem um.
3. Überlege nicht, wen du rausschmeißen kannst, sondern wie du neue Kunden gewinnst und ob die Produkte gut genug für den Markt sind. Ein Metallwaren-Unternehmer hat in der Krise auf seinen Mitarbeiter gehört: Statt sich mit weniger Nachfrage nach Einkaufswagen abzufinden, entwickelte sie einen selbstdesinfizierenden Griff für Einkaufswagen. Weil der Mitarbeiter selbst Angst vor Keimen beim Einkaufen hatte und seinem Chef davon erzählt hat. Innerhalb weniger Wochen gingen dafür eine Million Bestellungen ein.

Clemens Adam ist seit 2007 Trainer, Berater und Coach. Nach einem Meisterbrief im Handwerk wechselte er 1982 in den Vertrieb und wurde wenig später Vertriebsleiter. Mehr als 20 Jahre lang war er selbstständig für den Vertrieb technischer Produkte verantwortlich und befasste sich dafür auch mit Planung, Durchführung, Eventtechnik und Eventmanagement. Clemens Adam absolvierte mehrere Fortbildungen und Praxis-Seminare. Durch seine Insights-MDI Zertifizierung, Knigge-Trainer-Ausbildung und Projektmanagement-Workshops konnte er seine Erfahrungen ausweiten und lernen, sie aktiv in seine Beratungen einzubauen. 2017 erschien sein Buch „Bring dein Windrad zum Drehen! – 8 Flügel, die dich vom Wollen ins Tun bringen“, das 2020 unter dem Titel „Erfolg durch einfache Selbstreflexion“ neu aufgelegt wurde. Er ist Inhaber des Instituts praxisorientierter Unternehmer I-p-U und Herausgeber des Buchs „Unternehmer PRAXIS“!

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