Gastbeitrag von Gerrit S. Furch, Geschäftsführer der Sanierungs- und Wirtschaftsberatung GF Consulting Group LLP
Gerrit S. Furch, M.A LL.M schildert die Situation um die aktuelle Involvenzantragspflicht-Aussetzung bei deutschen Unternehmen und prognostiziert ein mögliches Szenario anhand aktueller Erkenntnisse:
„Die Koalition hat sich darauf verständigt, die Insolvenzantragspflicht für einen Teil der Unternehmen in der Coronakrise weiter auszusetzen – diese gilt nun bis Ende des Jahres, und wie es aussieht, wird sie noch weiter ins neue Jahr, vermutlich bis Ende März verlängert. Manche Restrukturierer hoffen, dass der Aufschub reicht, um ihren Instrumentenbaukasten in der Zwischenzeit zu erweitern. Bei dem ein oder anderen mag das gelingen, dennoch bringt es unsere Wirtschaft ins Schwanken. Denn: Jedes sechste Unternehmen ist betroffen und spätestens mit Ablauf dieser Aussetzung wird es ein Massensterben der Unternehmen geben – denn in Deutschland gibt es schon jetzt eine Vielzahl an Zombi-Unternehmen, wie man sie auch nennt. Nämlich solche,
welche Ihre Zinsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum nicht mehr durch das operative Ergebnis decken können. Wir können deshalb derzeit nur schätzen, wie viele echte Untote durch Corona hinzukommen, denn dazu braucht es den Blick in die Bilanz. Jedes sechste Unternehmen könne am Ende zu einem „Zombieunternehmen“ werden, prognostiziert unlängst auch schon Deutsche-Bank-Chef Christian Sewig. Ein plausibles Szenario.
Denn wir haben aktuell schon tausende, scheintote Firmen, die in Schulden versinken, denen das Insolvenzrecht und die ausgesetzte Insolvenz-Pflicht aber einen Strich durch die Sterbe-Rechnung machen. Und diese Firmen bedrohen schlußendlich unsere Wirtschaft. Kurios ist, dass trotz der schon vor Corona schwierigen Konjunkturlage die Unternehmensinsolvenzen im Mai sogar um 9,9 Prozent unter das Vorjahresniveau gesunken sind – was mir nur den Schluss zulässt, dass Unternehmen in der aktuellen Situation die wirtschaftlichen folgen sehr großzügig hinnehmen und sich auf die Aussetzung berufen, um nicht in die Insolvenz zu gehen.
Bedeutet: Unternehmen, die eigentlich pleite sind, müssen, laut dem von der Bundesregierung in Folge der Corona-Maßnahmen veränderten Insolvenzrecht, derzeit KEINEN Insolvenzantrag stellen. UND Mitarbeiter könnten über das Instrument „Kurzarbeit“ gehalten und weiter bezahlt werden, trotz Auftragsflaute. Da stelle sich die Frage, wieso einem Unternehmen, das es bis Ende September nicht geschafft hat, sich an das neue durch Corona veränderte Umfeld anzupassen, dies bis März 2021 gelingen sollte. Zumal zu befürchten steht, dass die Belastungen durch die Pandemie im Winterhalbjahr eher wieder zunehmen und gar mit einer zweiten Welle zu rechnen sein wird. Aktuell werden die Insolvenzen also nur verschoben, was widerum viele gesunde Firmen gefährden könnte. Dies betrifft nicht nur die Reise- oder Gastro Branche, sondern zieht sich über das gesamte Spektrum, auch Handel, Dienstleistungssektoren sowie Industrie.
Eine von der Politik verordnete Aussetzung von Insolvenzverfahren für ein ganzes Jahr dürfte dabei aber vor allem zu einer erheblichen Belastung für die gesunden Unternehmen führen. Denn: Zombie-Unternehmen können ganz anders wirtschaften, Preise kaputt machen und einen gesunden Strukturwandel behindern. Ausfallende Kredite belasten hierbei die Kreditgeber, Geschäftspartner können durch ausbleibende Erfüllung von Verpflichtungen der Zombie-Unternhmen ebenfalls in Schieflache geraten.
All das kann dazu führen, dass es zu deutlichen Effekten in der zweiten Reihe, also Anschlussinsolvenzen eigentlich gesunder Unternehmen, kommen kann.“ so Gerrit S. Furch, Geschäftsführer der Sanierungs- und Wirtschaftsberatung GF Consulting Group LLP.
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