Start Politik und Recht Erste Vfgh-Judikatur zur Covid-19-Gesetzgebung

Erste Vfgh-Judikatur zur Covid-19-Gesetzgebung

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Der Verfassungsgerichtshof judiziert erstmals

1. Betretungsverbot an öffentlichen Orten (VfGH 14.7.2020, V 363/2020)

Der Verfassungsgerichtshof hat die Gesetzwidrigkeit der §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz festgestellt. Außerdem hat er den § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz auf dessen Verfassungsmäßigkeit geprüft.

Das COVID-19-Maßnahmengesetz ermächtigt in § 2 Z 1 den Bundesminister zur Erlassung einer Verordnung mit der das „Betreten von bestimmten Orten“ untersagt werden kann. Auf dieser Grundlage hat der Bundesminister die COVID-19-Maßnahmenverordnung-98 erlassen. Diese Verordnung verbietet unter anderem das Betreten öffentlicher Orte und das Betreten öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs überschreiten die Regelungen der §§ 1 und 2 der Verordnung die Grenzen der gesetzlichen Grundlage. § 1 der Verordnung enthält ein generelles Betretungsverbot für öffentliche Orte. In § 2 finden sich einige Ausnahmen zu diesem Verbot. Der Verfassungsgerichtshof sieht in dieser Bestimmung ein allgemeines Ausgangsverbot.

Die gesetzliche Grundlage hingegen sieht nur eine Ermächtigung für ein Betretungsverbot für bestimmte Orte und gerade nicht eine Ermächtigung für ein allgemeines Ausgangsverbot vor. Die gesetzliche Ermächtigung ist dahingehend begrenzt, dass im COVID-19-Maßnahmengesetz nur das Zusammentreffen von Menschen an bestimmten Orten unterbunden werden kann. § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz geht also vom Grundsatz der Freizügigkeit aus und ermächtigt den Verordnungsgeber dazu, diese Freizügigkeit durch Betretungsverbote bestimmter Orte einzuschränken. Das Gesetz macht außerdem deutlich, welche Merkmale diese Orte aufweisen müssen, nämlich, dass die Nutzung dieser Orte zum persönlichen Zusammentreffen mehrerer Menschen außerhalb der eigenen Wohnung führt. Das vom Bundesminister durch Verordnung erlassene allgemeine Betretungsverbot von öffentlichen Orten ist daher gesetzlos ergangen. Eine Verordnung ohne ausreichende gesetzliche Deckung ist rechtswidrig. Der Verfassungsgerichtshof hat die Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmungen festgestellt.

Bei der Prüfung des § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz hat der Verfassungsgerichtshof dessen Verfassungsmäßigkeit festgestellt. Es werde durch dieses Gesetz weder das Grundrecht auf persönliche Freiheit noch das Grundrecht auf persönliche Freizügigkeit verletzt.

2. Strafbescheid nach dem Betretungsverbot: Anfechtung über die Verwaltungsgerichte zumutbar (VfGH 8.6.2020, V 361/2020)

Die Antragstellerin beantragte die Aufhebung einer Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen wurde. Mit dieser Verordnung wurde das Betreten öffentlicher Orte zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 verboten. Zu diesem Verbot wurden bestimmte Ausnahmen festgelegt.

Die Antragstellerin ist eine zum Einbringungszeitpunkt des Antrages minderjährige Schülerin. Mit Strafverfügung wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500,00 verhängt, da sie sich mit zwei weiteren Personen, mit welchen sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebte, auf engstem Raum als Mitfahrerin in einem PKW aufgehalten hat. Damit habe die Antragstellerin einen öffentlichen Ort im Freien betreten und gegenüber anderen Personen den erforderlichen Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten.

Die Antragstellerin bringt vor, dass sie durch die angeführte Verordnung in ihren subjektiven, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unmittelbar verletzt sei. Die Verordnung sei überdies rechtswidrig, weil sie gegen das Legalitätsprinzip verstoße. Die verhängte Strafverfügung auf dem Weg des Verwaltungsstrafverfahrens zu bekämpfen sei der Antragstellerin nicht zumutbar. Denn ein solches Verfahren würde erfahrungsgemäß einen langjährigen und kostenaufwendigen Umweg bedeuten. Die Antragstellerin behauptet, dass die Verordnung keine ausreichende gesetzliche Grundlage hat. Außerdem sei sie in ihrem Grundrecht auf persönliche Freizügigkeit und in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden. Die Verordnung sei überdies gleichheitswidrig.

Laut dem Verfassungsgerichtshof steht in Fällen wie diesen der Antragstellerin ein anderer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung zur Verfügung. Gegen die Antragstellerin ist bereits eine Strafverfügung ergangen. Die Antragstellerin hat somit die Möglichkeit, gegen die Strafverfügung einen Einspruch zu erheben. Gegen ein ergangenes Straferkenntnis besteht die Möglichkeit, Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben. Gegen eine allenfalls negative Entscheidung des Verwaltungsgerichtes kann die Antragstellerin Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einbringen und darin ihre Bedenken bezüglich der als verfassungswidrig erachteten Verordnung darlegen.

Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können, liegen nicht vor. Deswegen hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

3. Entfall der Entschädigung für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz (VfGH 14.7.2020, G 202/2020)

In diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurden § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit und § 1 und § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 auf ihre Gesetzmäßigkeit geprüft.

§ 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz sieht vor, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten, nicht zur Anwendung kommen, wenn der Bundesminister eine Verordnung, wie beispielsweise die COVID-19-Maßnahmenverordnung, erlassen hat. Das hat zur Folge, dass der im Epidemiegesetz vorgesehene Verdienstentgang den von einer behördlich angeordneten Betriebsschließung betroffenen Unternehmern nicht zusteht.

Durch die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 wurde unter anderem das Betreten von Kundenbereichen des Handels zum Zweck des Erwerbes von Waren untersagt. Der Verfassungsgerichtshof hat dieses Betretungsverbot daraufhin geprüft, ob es das Grundrecht auf Eigentum oder den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Da das Betretungsverbot dieser Verordnung einem weitgehenden Betriebsverbot gleichgesetzt werden kann, greift es in das Grundrecht auf Eigentum ein. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Unternehmer diese Eigentumsbeschränkung dulden müssen, weil dieser Eingriff verhältnismäßig ist. Er hat in weiterer Folge geprüft, ob diese bewirkte Eigentumsbeschränkung entschädigungslos geduldet werden muss oder ob den betroffenen Unternehmern ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt werden muss. Der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz steht wie bereits erwähnt nicht zu.

Ein solcher aufgrund der Verfassung bestehender Entschädigungsanspruch würde dann zustehen, wenn einem Einzelnen oder einer Gruppe von Personen ein sachlich nicht gerechtfertigtes Sonderopfer auferlegt wird. Der Verfassungsgerichtshof hat seiner Entscheidung das Gesamtbild zugrunde gelegt. Der Gesetzgeber hat das Betretungsverbot nicht als isolierte Maßnahme erlassen, sondern dieses in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet. Dieses Paket zielt darauf ab, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbotes auf die davon betroffenen Unternehmen abzufedern. Damit wurde eine dem Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz im Wesentlichen gleichartige Regelung geschaffen. Das Maßnahmen- und Rettungspaket umfasst beispielsweise die Regelungen über die Kurzarbeit, den Härtefallfonds und den Fixkostenzuschuss. Der Verfassungsgerichtshof hat außerdem berücksichtigt, dass von dem Betretungsverbot und den damit verbunden nachteiligen Folgen alle Handels- und Dienstleistungsunternehmen betroffen waren. Die Eigentumsbeschränkungen waren aus einer akuten krisenhaften Situation veranlasst und wurden zur Vermeidung einer weiteren Verbreitung der Krankheit als erforderlich erachtet. Daher kann aus dem Grundrecht auf Eigentum nicht ein darüber hinaus gehender Anspruch auf Entschädigung für alle von dem Betretungsverbot erfassten Unternehmen abgeleitet werden.

Die von den antragstellenden Parteien behauptete Verfassungswidrigkeit im Licht des Grundrechts auf Eigentum sowie des Gleichheitsgrundsatzes liegt somit nicht vor.

4. Antrag des LASK auf Aufhebung der Verordnung gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (VfGH 15.6.2020 V 401/2020)

In der Verordnung gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz wird das Betreten von Sportstätten grundsätzlich untersagt. Zu diesem grundsätzlichen Verbot wurden Ausnahmen für Spitzensportler geschaffen, die unter Einhaltung von bestimmten Maßnahmen Sportstätte zum Trainieren betreten dürfen. Für Kaderspieler, Betreuer und Trainer der zwölf Vereine der höchsten Spielklasse der österreichischen Fußball-Bundesliga sowie der ÖFB-Cup-Finalisten wurde in der Verordnung eine eigene Regelung vorgesehen. Diese dürfen in Kleingruppen von maximal sechs Kaderspieler trainieren. Dabei ist ein Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten. Diese Verordnung ist mit 30.6.2020 außer Kraft getreten.

Die LASK GmbH und der Linzer Athletik-Sport-Klub beantragten die obigen Bestimmungen, die zusammengefasst das Mannschaftstraining beschränken, als verfassungswidrig aufzuheben. Die Antragsteller brachten vor, dass die Regelungen der Verordnung in das Grundrecht auf Unterverletzlichkeit des Hausrechts und in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit eingreifen. Außerdem seien die Beschränkungen auf Kleingruppen beziehungsweise der vorgeschriebene Abstand von zwei Metern weder geeignet noch erforderlich, die Gesundheitsgefährdungen beziehungsweise hintanzuhalten, und daher völlig unverhältnismäßig und willkürlich. Die angefochtenen Bestimmungen würden darüber hinaus dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

Die Antragsteller behaupteten, dass sie trotz des Außerkrafttretens der Verordnung aktuell in ihren Rechten verletzt seien. Die Verordnung sei durch Beschluss in das Verbandsrecht der Österreichischen Fußball-Bundesliga rezipiert worden. Zusätzlich wurden die Antragsteller vom Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga mit einer Geldstrafe und einem Abzug von sechs Punkten wegen eines Verstoßes gegen die besagte Verordnung bestraft worden. Damit sei der gesamte sportliche Erfolg der Antragsteller gefährdet und ein finanzieller Verlust in Millionenhöhe verbunden. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen bewirke auch einen Wegfall der verbandsinternen Strafbarkeit.

Der VfGH entschied, dass der Linzer Athletik-Sport-Klub seine rechtliche Betroffenheit allein aus der Eigenschaft als Eigentümer der sportstättenbetreibenden LASK GmbH ableitet. Deshalb ist er rechtlich nicht betroffen und zu einem Antrag auf Prüfung der Verordnung nicht berechtigt.

Auch die Anträge der LASK GmbH wurden als unzulässig zurückgewiesen. Laut dem Verfassungsgerichtshof wurde der Umfang der angefochtenen Wortfolgen unzutreffend gewählt. Die angefochtenen Wortfolgen normieren eine Ausnahme vom Grundsatz, dass das Betreten von Sportstätten verboten ist. Die LASK GmbH wird durch diese Ausnahme privilegiert. Es ist daher nicht ausreichend, nur die Ausnahme anzufechten. Die LASK GmbH hätte all jene Normen anfechten sollen, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es wäre dann Sache des Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, auf welche Weise eine behauptete Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann.

5. Wiedereinreise nach Österreich (VfGH 16.6.2020, V 432/2020)

Der Antragsteller ist österreichischer Staatsbürger und Eigentümer einer unter österreichischen Flagge fahrenden Segelyacht, die in einem Yachthafen in Kroatien vor Anker liegt. Die Einreise nach Kroatien ist ausländischen Besitzern von Immobilien und Booten unter Einhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen gestattet. Der Transit durch Slowenien ist möglich, sofern die Einreise nach Kroatien gesichert ist.

Bei Rückkehr nach Österreich wäre der Antragsteller aufgrund der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Nachbarstaatenbereits Verordnung jedoch verpflichtet, sich unverzüglich in eine 14-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne zu begeben, welche nur durch einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS CoV-2 vorzeitig beendet werden könne. Die gesetzliche Grundlage der Verordnung stellt § 25 Epidemiegesetz dar. Gemäß § 25 Epidemiegesetz kann mittels einer Verordnung bestimmt werden, dass zur Verhütung der Einschleppung einer Krankheit aus dem Ausland die Einreise von Personen gewissen Maßnahmen unterworfen wird.

Der Antragsteller behauptete eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freizügigkeit und des Grundrechts auf Eigentum. Das Grundrecht auf persönliche Freizügigkeit umfasst unter anderem das Recht eines Staatsbürgers, in das österreichische Staatsgebiet einreisen zu dürfen.

Nach Ansicht des VfGH war der entscheidungsgegenständliche Antrag war allerdings zu eng gefasst. Bei Stattgeben des Antrags wäre ein unverständlicher und unanwendbarer Rest der Verordnung verblieben. Der Antragsteller hätte all jene Normen anfechten sollen, welche für die Beurteilung der allfälligen Gesetzeswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Deswegen wurde der Antrag vom Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen.

6. Über die Verfasser

Dies ist eine Information der Schmelz Rechtsanwälte OG. Partnerin Mag. Eva Schmelz ist auf Familienrecht und Medienrecht spezialisiert. Zu den Schwerpunkttätigkeiten von Partner Mag. Dorian Schmelz zählen Erbrecht und Vermögensplanung, Heimrecht und Pflegerecht sowie Immobilienrecht. Mag. Danijel Ivkovic deckt Fremdenrecht ab.

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